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Aschau: Schnappschildkröte oder falscher Alarm?

Quelle: pixabay

Viele überregionale Medien (darunter auch die BILD) berichteten heute vom Schildkrötenalarm im Naturbad Aschau. Angeblich sei dort gestern eine gefährliche Schnappschildkröte gesichtet worden. Eine Spurensuche.

Früh morgens die erste Meldung

Kaum war ich heute früh aufgestanden, fand ich auf Rosenheim24 folgende Schlagzeile: „Schnappschildkröte im Aschauer Naturfreibad gesichtet – schwierige Rettung!“ Wow, das macht wach, denn ich schwimme nahezu jeden Abend nach der Arbeit in eben jenem „Naturfreibad“ in Aschau. Und auch am besagten gestrigen Abend war ich dort (und hatte sogar ein paar Fotos von einem ungewöhnlichen e-Scooter gemacht, siehe hier). Aber eine Schildkröte? Erst recht eine Schnappschildkröte? Konnte ich mir zwar kaum vorstellen, aber ausschließen wollte ich es nicht.

Die Polizei aus Prien war offenbar auch vor Ort. Hier noch ein paar mediale Fundstellen überregionaler Zeitschriften:

Und das sind nur ein paar von vielen Fundstellen. Wenn es tatsächlich eine Schnappschildkröte gewesen sein sollte, dann ist das in jedem Fall einen Bericht wert! Das abschreckende Beispiel von 2013 vom bayerischen Oggenrieder Weiher läßt ahnen, mit was für einem Monster man es zu tun hat – und wie gefährlich Schnappschildkröten sein können. „Lotti“ wie die Aligatorenschildkröte liebevoll genannt wurde, hat man nie gefunden, obwohl zu diesem Zweck der gesamte See abgelassen wurde.

Eigene Nachforschungen werfen Fragen auf

Im Wissen um die zuvor genannten Berichte fuhr ich heute Abend mit meinem E-Bike routinemäßig zum Badeplatz Aschau – so heißt das „Naturbad“, das in den Samerberger Nachrichten mit Foto abgebildet wurde und über das ich immer wieder an dieser Stelle berichtet habe. Aufgrund des mäßig schönen Wetters war es komplett leer. Nur einige Vereinsmitglieder hielten dort eine „Open-Air“-Sitzung ab – dazu gleich mehr. Natürlich schaute ich mir das Wasser des Schwimmbads genauer an. Aber nicht ein einziger Hinweis auf die Schildkröte war zu finden. Noch war ich unschlüssig, ob es überhaupt das richtige Schwimmbad ist, denn es gibt ja noch ein zweites.

Gemeint ist das Moorbad Aschau. Aufgrund der Nähe zum Bärnsee hätte es durchaus auch mit dem Begriff „Naturbad“ gemeint sein können. Also fuhr ich dort hin. Ein Ehepaar drehte dort im moorigen und kaum transparenten Wasser einige Runden. Wäre die Schildkröte hier drin: Niemand würde sie sehen können. Ich fragte die beiden, ob sie von der Schildkröte wüßten, bzw. ob wie wissen, welches Bad überhaupt gemeint sei.

Haha! Suprise, surprise: Die beiden hatten gar noch nicht mitbekommen, dass die Geschichte kursierte. Nachdem ich dem Mann den Artikel der BILD zeigte, reagierten sie ziemlich überrascht. Dann kam noch eine weitere Frau dazu, die offenbar gut informiert war. In der anschließenden  Unterhaltung wurde schnell klar: Wenn, dann konnte als Tatort nur der Badeplatz Aschau gemeint sein, also fuhr ich wieder zurück.

Die erste Sichtung der Schildkröte erfolgte schon vor Wochen

Zurück am Badeplatz ging ich auf die Aschauer zu, die an einem Tisch ihre „Open-Air-Vereinssitzung“ durchführten. Einer der Teilnehmer gab auf Anfrage meinerseits interessante Infos zum Besten:

  • Er habe schon vor zwei Wochen erfahren, dass eine Schildkröte gesichtet worden wäre.
  • Dies sei auch am Badeplatz erfolgt (und nicht am Moorbad).
  • Laut der Personen, die die Schildkröte mehrfach gesehen haben wollen, war sie kaum 30cm groß.
  • Es handele sich daher mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine harmlose Schildkröte.
  • Der Grund der Vermutung: Über Wochen hinweg sei die Schildkröte vor den Besuchern regelrecht geflüchtet.
  • Wäre es eine gefährliche Schnappschildkröte, wäre vermutlich über die Wochen hinweg schon etwas passiert.
  • Letzteres ist ziemlich plausibel, da das Schwimmbad aufgrund der Hitze teilweise proppenvoll war.

Nun gut. All das sind Thesen und keine Beweise. Aber es spricht vieles für die Version der harmlosen Schildkröten-Variante. Beispielsweise könnte es eine ausgesetzte Rotwangenschildkröte sein, die z.B. das Berliner Engelbecken bevölkert. Einheimische Arten wie eine Sumpfschildkröte gibt es Bayern nicht, können also ausgeschlossen werden. Sie sind zudem eher winzig und dürften kaum als Gefahr erscheinen.

Nach aktuellem Kenntnisstand spricht folglich einiges dafür, dass die Behauptung, es wäre eine gefährliche Aligatorschildkröte (die Schnappschildkröte zählt ebenfalls zu dieser Gattung), mit Vorsicht zu genießen ist. Sie wäre von der Größe und dem markanten äußeren leicht zu identifizieren. Entsprechend „Zeugenaussagen“, die eine eindeutige Bestimmung dieser in unseren Breiten extrem seltenen Art erlauben, sind bislang nicht bekannt. Hinzu kommt, dass auch die „Lotti“ von 2013 niemals nicht gefunden wurde … Was allerdings blieb war eine – zugegeben – elektrisierende Story in den Medien.

Danach bin ich wenig mutig ins Wasser

Im Anschluss an die Unterhaltungen machte ich zuerst einen Rundgang um den Badeplatz Aschau. Als ebenso versierter wie passionierter „Amphibienexperte“ bin ich das Aufspüren kleinster Wasserlebewesen selbst auf Distanz gewohnt. Mit Argusaugen scannte ich das gesamte Gewässer: Nichts zu finden! Nicht das geringste Etwas. Daher ging ich direkt anschließend ohne großen Todesmut ins Wasser zum Baden und nahm das wissenschaftliche Experiment auch mit dem iPhone auf.

Die auf allen Faktoren ruhende Gesamtanalyse meinerseits:

  • Ja, es ist möglich, dass es hier eine (ausgesetzte) Schildkröte gibt.
  • Da sie offenbar schon seit Wochen aktiv ist, scheint die Gefahr gering.
  • Eine gefährliche Schnappschildkröte erscheint wenig wahrscheinlich.

Nichts desto trotz werde ich natürlich diesen Sommer besonders aufmerksam sein, denn einerseits könnte u.a. aufgrund der selbst im Chiemgau deutlich spürbaren Klimaerwärmung ein exotischer Eindringling relativ lang überleben. In jedem Fall wäre es aber auch hilfreich, ein Foto der Schildkröte zu schießen, um auf Basis einer Bestimmung Klarheit zu schaffen. Die Ungewissheit wird nämlich sicherlich nicht zu mehr schwimmenden Besucher*Innen des Badeplatz Aschau führen – das wäre bedauerlich, wenn es sich bei der Schnappschildkröte am Ende doch nur um eine (journalistische) Ente handeln würde …

Das Video vom todesmutigen Selbsttest … Ich will nicht ausschließen, dass es hier eine Schildkröte gibt. Auch gegen jede Wahrscheinlichkeit wäre es möglich, dass es sich um eine Schnappschildkröte handelt. Laut der Aussage von Aschauern ist das Tier aber schon vor Wochen erstmals gesichtet worden. Und es hat trotz sehr heißer Tage mit sehr vielen Besuchern keinen Schaden angerichtet. Vielmehr ist das Tier vor den Menschen geflüchtet.

Im Moorbad: Fehlanzeige! Im Badeplatz Aschau: Ebenfalls Fehlanzeige! Dann bin ich selbst ins Wasser. Falls die Schildkröte aufgekreuzt wäre, hätte ich versucht, sie mit dem Fahrradkorb einzufangen! War aber nicht nötig. Das dritte Foto zeigt übrigens eine Kreuzspinne am Badeplatz Aschau. Leider etwas unscharf.

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