HomeTagebuchZu recht ein Zankapfel?! Das „Freizeitareal Haindorf“

Zu recht ein Zankapfel?! Das „Freizeitareal Haindorf“

„Freizeitareal Haindorf“ klingt positiv. Doch mittlerweile sind immer mehr Aschauer von der Wirklichkeit des Projekts entsetzt. Ich fuhr heute mit dem E-Bike zum „Tatort“ und machte ein paar Bilder – und erlaube mir eine eigene Meinung.

Einst pure Romantik: Der Badeplatz Aschau

Ich weiß gar nicht in wie vielen Artikeln dieses Blogs ich vom Badeplatz Aschau geschwärmt habe. Es war definitiv eine traumhafte Location. Allerdings nur bis zur Mitte dieses Jahres … Dann begannen die Bauarbeiten des neuen „Freizeitareal Haindorf“, das keine 10 Meter vom Zaun des Badeplatzes entfernt liegt.

Das Vorhaben wurde 2019 mit nur einer Gegenstimme im Gemeinderat verabschiedet. Doch mittlerweile ahnen viele Aschauer erst, was das Projekt für Konsequenzen für den Ort hat. Mir ist aktuell wirklich nicht eine einzige Aschauerin und kein einziger Aschauer bekannt, der das, was sich nun abzeichnet, gut heißt. Darunter viele „alt Eingesessene“.

Wer schon einmal ein paar Bilder der Baustelle (Stand 20. November 22) anschauen möchte, kann dies nachfolgend tun. Anschließend werde ich einige Hintergründe darstellen und eine eigene Meinung als Aschauer Neubürger vertreten.

Baustellen sind selten schön. Insofern kommt es bei den nachfolgenden Bildern weniger auf Bagger und andere Baufahrzeuge etc. an. Man bekommt aber schon jetzt einen Eindruck, wie sich der Platz in naher Zukunft grundlegend verändern wird.

Freizeitareal oder Wohnmobilhafen?

Das Wort „Freizeitareal“ suggeriert, dass hier Menschen von fern, aber vor allem auch solche von vor Ort mehr Freizeitmöglichkeiten als bisher erhalten. Das ist allerdings kaum zutreffend. Im Kern handelt es sich beim Neubau in allererster Linie um einen „Wohnmobilhafen“ – so zu Recht das OVB, das bereits 2019 über das Vorhaben berichtete. Neu ist tatsächlich vor allem der Wohnmobilparkplatz für sage und schreibe 50 Wohnmobile. Aufgrund der dadurch verringerten Parkfläche wurde ein Teil der nördlich gelegenen Wiese in einen recht großzügig gestalteten Parkplatz umgestaltet, auf dem in Zukunft nicht nur Nutzer der Freizeitanlage, sondern auch Wanderer parken sollen.

So weit die Theorie. Schaut man genauer hin, ergibt sich ein durchaus ambivalentes Bild, das anhand der nachfolgenden Grafiken des Bebauungsplans ganz gut veranschaulicht wird (hier geht es zum Gesamtplan dem die Bilder entnommen wurden).

Oben: Das Gelände wie es bisher gewesen ist. Unten: Der gleiche Bereich inklusive der Veränderungen – einem Wohnmobilhafen und einem deutlich vergrößerten Parkplatz. Zusätzliche Freizeitangebote? Nicht wirklich!

Sehen heißt Glauben – oder auch Erkennen …

Der Widerstand in Aschau gegen das Vorhaben war wohl im Vorfeld deshalb so gering, weil niemand wirklich mitbekommen hat, was da wie geplant wurde. Und man muß kein Mitglied der „letzten Generation“ oder der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ sein (und erst Recht kein Amphibienfreund wie ich), um nun, nachdem die Bauarbeiten begonnen haben, zu erkennen: Das wird Aschau ziemlich verändern – und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum Positiven. Insofern ist auch verständlich, dass nun die Kritik aufflammt, die im Vorfeld nahezu nicht vorhanden war.

Nun zur Frage, welche Vor- und Nachteile sich hier gegenüberstehen – zunächst zu den Pro-Argumenten, die ich als grundsätzlich sehr wirtschaftsfreundlicher Mensch gewissenhaft prüfen möchte:

  • Im Gemeindeblatt vom August 2021 wird auf die rückläufigen Übernachtungsmöglichkeiten im Priental verwiesen. Der Stellplatz für 50 Wohnmobile sei daher von touristischer Relevanz.
  • Definitiv darf und soll das Gewerbe in Aschau grundsätzlich – egal zu welcher Jahreszeit – jeden zusätzlichen Gast willkommen heißen, der in Aschau etwas einkauft. 50 Wohnmobile versprechen über einhundert zusätzliche kaufkräftige Gäste. Fair enough!
  • Wir selbst versuchen seit dem ersten Tag, so viel wie möglich hier direkt am Ort einzukaufen. Egal, ob es teurer ist oder nicht, gemeint sind: Lebensmittel, Spielwaren, Brillen, Wollteppiche, Geschenkartikel, Elektroartikel, Pralinen, Kuchen, Fleisch, Sportzubehör UND nicht zu vergessen, alles was ein E-Bike so benötigt.
  • Die Beeinträchtigung der Umwelt halte ich als großer Freund der lokalen Amphibienwelt für wenig überzeugend: Weder der Wohnmobilhafen, noch der Parkplatz dürften bisher irgend einen Wert als Biotop gehabt haben. Im Gegenteil ist sogar zu vermuten, dass ein strukturierter und begrünter Wohnmobilhafen, ja selbst ein mit Pflanzen gut eingefaßter Parkplatz mehr kleinräumige Räume für Pflanzen, Amphibien und andere Tiere schaffen könnte wie die beiden Wiesen, die ebensowenig ökologisch wertvoll erscheinen wie der nebenstehende Fußballplatz … Allenfalls das Thema „Bodenversiegelung“ durch Asphalt würde ich hier als möglichen Kritikpunkt sehen. Aber selbst das ist im gegebenen Umfang nicht wirklich so relevant, dass man es nicht durch intelligente Ausgleichsmaßnahmen relativieren könnte.

Fazit: Ja, es ist von Wert, jede Möglichkeit zusätzlicher Kaufkraft nach Aschau zu holen. Die Umwelt wird m.E. nur gering beeinträchtig. Damit zu den Kontra-Aspekten:

  • Zunächst muss man feststellen, dass es bis 2021 einen anderen Campingplatz in unmittelbarer Nähe gab – keine 300 Meter entfernt. Gemeint ist „Camping am Moor“ – heute noch gut auf Google-Maps zu erkennen.
  • Dieser über Jahrzehnte eingewachsene Campingplatz ist von der Fläche her in etwa so groß gewesen wie der neue Wohnmobilhafen.  Nun ist er komplett abgerissen worden und in eine große planierte Stellfläche für was auch immer umgewandelt worden. Man braucht ja in Aschau auch keine zwei Campingplätze, wie man vermuten darf.
  • Insofern ist der Neubau in erster Linie als eine Art „Umsiedelung“ eines bereits vorhandenen Campingplatzes zu bewerten und nicht als „zusätzlicher Raum“. Das Argument des wirtschaftlichen Zustroms wichtiger neuer Gäste darf man daher mit Vorsicht genießen.
  • Verschärfend muss man hinzufügen, dass man als mehrjähriger Anwohner genau erkennt, welche Arten des Gewerbes von zusätzlichen Gästen profitieren: Es sind vor allem der Edeka, der an starken Besuchstagen schon heute vor Gästen überquillt, und sicherlich die Gastronomie.
  • Sinnigerweise muss man dazu sagen, dass Aschau auch ohne neuen Campingplatz oder Parkplatz an den besuchsstarken Tagen kaum mehr Zusatzkapazität für irgendwen benötigt, da in Aschau ein „Ebbe und Flut“-Prinzip existiert: Entweder es ist niemand hier oder der Ort quillt so von Besuchern über, dass alles zu spät ist. Dann braucht man aufgrund endloser Autoschlangen tatsächlich manchmal 10 Minuten, um in Hohenaschau vom eigenen privaten Parkplatz auf die Straße zu kommen. Der Wohnmobilhafen wird das Problem mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht lösen – im Gegenteil: Die Wohnmobile werden die eh häufig angespannte Verkehrssituation mit hoher Wahrscheinlichkeit noch problematischer machen.
  • Dann wird behauptet, dass die Parksituation vor Ort am Badeplatz Aschau für Besucher mit Kindern gefährlich sei. Nun ja, als regelmäßiger Besucher weiß ich, dass das etwa fünf mal im Jahr vorkommt – vor allem dann, wenn im Badeplatz ein Event veranstaltet wird. Ansonsten war in den letzten Jahren selbst an sehr heißen Tagen kaum einmal so viel los, dass die Stellplätze nicht ausgereicht hätten (die inoffiziellen Wiesenplätze mit eingerechnet). Ja, es kommt vor, aber nur extrem selten.
  • Wanderer nutzen weder bisher noch künftig diesen Parkplatz: Aus diesem Grund ist er auch nahezu das ganze Jahr über wie leergefegt – lediglich Schwimmbadbesucher und Gleitflieger parken dort. An Platz mangelt es für andere Zielgruppen kaum.
  • Neue Freizeitmöglichkeiten werden gar nicht geschaffen, da Schwimmbad, Fußballplatz, Tennisplatz, Eisstockbahn und Hochseilgarten eh schon da waren. Ein Mehrwert für Anwohner ist überhaupt nicht zu erkennen.
  • Bleibt als Hauptproblem eine deutlich negative Veränderung des Ortsbildes an einer signifikanten Stelle in Kombination mit der Minderung des Freizeitwerts des Badeplatz Aschau selbst.

Ja, letzteres ist der eigentliche Hammer: Gerade der Badeplatz wird künftig nicht attraktiver, sondern im Gegenteil – er verliert genau jenen einzigartigen Charme für Einheimische, den er zuvor besaß. „Die Romantik ist für immer fort“ sagte letztens meine Nachbarin zu mir. „Wir müssen uns künftig ein anderes Schwimmbad suchen.“

Die auch von mir so empfundene Kritik betrifft gleich mehrere Aspekte:

  • Zunächst wird der Badeplatz Aschau für wenigstens drei bis fünf Jahre kaum eingewachsen sein und aussehen wie ein gerupftes Hühnchen. Vom Badeplatz aus wird man statt auf offene Fläche auf 50 Wohnmobile schauen. Wow!
  • Selbst dann, wenn das ganze Arela irgendwann eingewachsen sein sollte: Dann wird die direkte Umgegend vom Wohnmobilhafen genauso beeinträchtigt werden, wie dies bereits andernorts der Fall ist. Um diesen Aspekt zu erahnen muss man nur wenige Kilometer weiter nach Felden zum dortigen „Wohnmobilhafen am Chiemsee“ fahren: Hier stapeln sich die Wohnmobile in derart krasser Weise, dass man sich wundern muss, warum die Fahrer der Wohnmobile dies als Erholung empfinden. Die Besucher ohne Wohnmobil werden es wohl nie verstehen. Das ist per se kein Grund, gegen einen Wohnmobilhafen zu sein. Aber es ist ein Grund, als Einheimischer nicht mehr zum Badeplatz Aschau zu gehen!
  • Schließlich ist das Ganze unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu prüfen: Hätte der Wohnmobilhafen nicht genau dort entstehen können, wo vorher der „Campingplatz am Moor“ gewesen ist? An Platz hätte es dort definitiv nicht gefehlt. Die Beeinträchtigungen wären erheblich geringer gewesen. Warum ist zu diesem Punkt nirgends etwas zu finden?

Abschließend noch ein meiner Meinung nach besonders kniffliger Punkt: Wird Aschau künfig noch mehr Wohnmobile als bisher anziehen?

  • Als Anwohner von Hohenaschau haben wir schon heute regelmäßig mit „Wildcampern“ zu tun, die sich trotz Verbot z.T. tagelang auf den Wanderparkplatz Hohenaschau stellen. Diese Art von Campern ist in Hamburg ebenso unbeliebt wie hier im Süden.
  • Es werden vermutlich keine Dauercamper sein, die sich in Aschau niederlassen, sondern unzählige ungeübte „Hobby-Camper“, die sich ein solches Gefährt für zwei Wochen ausleihen und oft mehr oder weniger zufällig nach einem Platzerl zum Übernachten Ausschau halten. Die Wohnmobile werden noch öfter als bisher mit langsamer Geschwindigkeit durch den Ort fahren und für noch mehr Probleme sorgen.

Sollten sich all die zuvor genannten Bedenken und Kritikpunkte in 10 Jahren als unnötig erwiesen haben, würde mich das sehr wundern. Aber Wunder gibt es ja immer wieder.

Nachtrag am 29. Oktober 2023: Nun ist das Freizeitareal beinahe fertig – es müssen nur noch ein eingepflanzten Bäume etwas mehr wachsen. Und hiermit stelle ich auch meinen eigenen Artikel infrage, denn das Gesamtergebnis des Freizeitareals konnte mich bereits im ersten Jahr überzeugen. Wunder gibt es also nicht erst nach 10 Jahren, sondern bereits im ersten Jahr. Mein Learning: Künftig nicht ganz so (vor-)schnell eine Meinung zu haben und zu äußern!

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