Alle halbe Jahr dasselbe: Als (ehemaliger) Tumorpatient muss man zur Nachsorge in die Radiologie. Dort wird ein CT gemacht. Als Betroffener stellt sich dabei stets aufs Neue die Frage: Wie sieht es im Inneren gerade aus?
Der blaue Himmel über dem CT
Viele Krebs- und Tumorpatienten werden ihn kennen: Den blauen Himmel mit ein paar strahlend weißen Wölkchen über der Untersuchungsröhre vieler Computertomographen. Ihn zu sehen ist unfreiwillig aufregend, denn wer ihn erblickt hat nicht selten eine wenig begehrliche Unsicherheit: Was wird die Untersuchung diesmal für einen Befund bringen? Ist es schlechter geworden? Ist es stabil geblieben? Gibt es vielleicht sogar eine Besserung?
Auch ich bin nicht vor dieser Unsicherheit gefeit, erst recht dann nicht, wenn man Wochen zuvor Schmerzen verspürt, die neben vergleichsweise banalen Ursachen auch Indiz für eine Verschlechterung im Hinblick auf Krebs oder Tumor sein könnten. Diese Unsicherheit besteht in mehr oder weniger leichter Form auch schon einige Zeit vor der Untersuchung bzw. dem anschließenden Arztgespräch. Alle halbe Jahr die etwa gleiche Prozedur. Immer wieder die gleiche Unsicherheit.
Weder Optimismus noch Pessimismus: Wichtig ist Realismus
Wer zur Nachsorgeuntersuchung fährt, sollte auch oder gerade im Fall einer R0-Resektion eines (neuroendokrinen) Bauchspeicheltumors wissen: Diese Krankheit kennt keinen sicheren, dauerhaft positiven Verlauf. Nur die allerwenigsten haben eine mehrjährige Lebenserwartung nach der Entfernung. Nicht einmal Steve Jobs hatte trotz aller Möglichkeiten und trotz der Prognose „geheilt“ mehr als vier Jahre nach der OP überleben dürfen. Dann war Schluß!
Für mich ist das Beispiel von Steve Jobs stets Mahnung, mit allem zu rechnen: Das es (weiterhin) gut läuft. Oder dass es eben doch nicht so prima weitergeht, wie man hoffen möchte. Nichts desto trotz bin ich kein Pessimist. Im Gegenteil: Auch dieser Blog und die damit verbundene Nutzung des E-Bies ist Teil meiner persönlichen Bewältigungstrategie, mit der Unberechenbarkeit dieser Krankheit umzugehen! Ja, es gilt, immer wieder aufs Neue mit Schwung aktiv zu sein, Neues zu probieren, sich laufend körperlich zu fordern – aber nie zu vergessen, dass sich die Dinge auch jederzeit ändern können. Die Nachuntersuchungen sind dabei stets der Zeitpunkt, der einem verrät, in welche Richtung es bis zur nächsten Untersuchung weitergehen wird. Ich nenne das konstruktiven Realismus! Keine Illusionen. Keine übertriebenen Hoffnungen. Keine unbegründeten Ängste. Mit der Situation leben und das Beste daraus machen.
24,5 km mit dem E-Bike zur Radiologie (und wieder zurück)
Die letzte Nachuntersuchung im März lief bei mir ziemlich gut. Danach war ich voll mit neuer Energie aufgeladen! Diesmal war ich nicht ganz so sicher, dass alles gut laufen würde. Daher entschloss ich mich, nicht nur nach, sondern auch schon vor der Untersuchung eine intensivere E-Bike-Tour zu unternehmen. Ich fuhr früh morgens kurz vor sieben los, um mit dem E-Bike zur Rosenheimer Radiologie zu fahren – und anschließend wieder zurück. Der Grund: Ich wollte mir ein gutes Ergebnis „verdienen“ oder mich im Fall von weniger guten Resultaten im Wege einer Rückfahrt nach Aschau ablenken.
Bei Sonnenaufgang und mildem Herbstwetter ging es los. Ich machte ein paar Fotos, freute mich über das Morgenrot und trat durchaus ordentlich in die Pedalen, denn mit rund einer Stunde Fahrtzeit mußte ich rechnen. Nach Frasdorf auf der zum Radweg umgebauten alten Eisenbahntrasse überholte mich dann zu meiner Überraschung eine etwa gleichaltrige Frau mit ihrem E-Bike. Bis nach Achenmühle lieferten wir uns eine Art Wettrennen mit Geschwindigkeiten zwischen 25 und 45 km/h: „Respekt, Gnä Frau“! Erst nach der Autobahn konnte ich sie abhängen. Der Preis: Ich kam ganz schön ins Schwitzen, was ich spätestens in der Radiologie nicht mehr ganz so lustig fand.
Autoschlangen ohne Ende
Bis dahin mußte ich aber erst einmal kommen. Andererseits bemerkte ich bereits bei Haro bzw. Hamberger, dass das E-Bike eine gute Wahl war, denn von hier ab bis hinein in die Rosenheimer Innenstadt – ein einziger Stau! So bin ich mit dem E-Bike insgesamt wohl kaum mehr als 20 Minuten länger unterwegs gewesen wie mit dem Auto. Aber: Ich habe mich bewegt, ich war im positiven Sinne abgelenkt. Ich habe mir ein gutes Ergebnis der Untersuchung zumindest zu verdienen versucht.
Tatsächlich war das Ergebnis wieder einmal positiv. Uff! Sicher sein, kann man sich da nie! Und so fuhr ich im Anschluss wieder zurück nach Aschau, und weil das Ergebnis des CT positiv war, fuhren sich die 24,5 km zurück wie in einer Art leicht beswingten Trance. Nach einer Stunde war ich zurück. Beseelt von der Fahrt hin als auch der zurück.
Meine Empfehlung: E-Biken vor sensiblen Untersuchungen
Als Patient mit einer umfangreichen Vorerkrankung und stets unsicherer Zukunftserwartung empfehle ich jedem in ähnlicher Situation: Zum (E-)Bike greifen und sich bewußt vor und nach entsprechenden Untersuchungen etwas „zumuten“. Ich fand die insgesamt knapp 50 km Fahrtstrecke ehrlich gesagt nicht sooo easy, dass ich mich nicht doch hätte recht ordentlich anstrengen müssen. Gut so! Denn genau darauf kommt es an, wenn man mit Unsicherheiten bei der Nachsorge konfrontiert wird. Speziell das E-Bike kann einem Menschen wie mir helfen, jedes mögliche Ergebnis zu verarbeiten, denn bei gutem Ergebnis kommt man ohnehin gut vorwärts, bei weniger gutem Ergebnis hilft einem der Motor, trotzdem gut nach Hause zu kommen.
Nicht umsonst heißt dieser Blog „Doktor eBike“, denn das E-Bike ist durchaus ein sehr gutes Therapie-Instrument. Nicht nur im Hinblick auf körperliche, sondern auch im Hinblick auf mentale Unterstützung, falls es darauf ankommt. Ergo werde ich auch das nächste Mal wieder mit dem E-Bike zur Radiologie fahren. Hoffentlich wieder mit einem ähnlich guten Ergebnis.
Die Fahrt nach Rosenheim begann mit rosa Wölkchen bei milden Temperaturen am frühen Morgen. Zwischendurch ein „Wettrennen“ mit einer E-Bikerin (Respekt!). Vor Rosenheim: Kilometerlange Staus auf der Straße. In der Radiologie: Ein Aquarium mit psychodelischen Farben. Nach dem erfreulichen Ergebnis ging es nach einem Cappuccino wieder zurück, am Anfang noch entlang des Inns. Vorbei an herbstlich skurrilen Bäumen und herbstlichen Maisfeldern. Schließlich die Ankunft in Aschau bei trübem Herbstwetter. Insgesamt ein bemerkenswerter Tag!