Die Therapie von Krebs ist kein Zuckerschlecken – egal in welchem Stadium. Ist man zudem in einem Krankenhaus mit vielen anderen Krebspatienten, dann erst recht nicht. Gleichwohl ergeben sich gerade hier durchaus philosophische Gespräche mit Patienten, Ärzten und Pflegekräften.
Mehrere Tage im Krankenhaus
Nach gut vier Jahren ist es mal wieder so weit: Ich bin wegen meiner Krankheit stationär im Krankenhaus. Diesmal Großhadern – ein großer klotziger Bau mit einem kleinen Park und mehreren großen Baustellen drumherum. Schon letzte Woche war ich einen Tag hier zur Voruntersuchung. Nun bekomme ich eine neue Therapie – allerdings alles noch auf vergleichsweise „niedrigem“ Niveau. Also keine Chemotherapie oder so. Dafür radioaktiv.
Radioaktivität kann heilen! Das ist eine von vielen Erkenntnissen, die ich bereits am ersten Tag mitnehme. Sie fordert allerdings den Preis der Isolation. Insofern bin ich eigentlich „nur“ zum Zweck der Einhaltung von Strahlenschutzgesetzen im Krankenhaus. Sonst hätte man das Ganze auch ambulant machen können. Aufgrund meines anderweitig aktuell ziemlich guten Gesundheitszustands sind die paar Tage Aufenthalt aber gefühlt eine Art „Haft“, denn man darf die Station nicht verlassen.
Langeweile und gute Gespräche!
Je fitter man ist, desto mehr wird ein Krankenhausaufenthalt mit Ungeduld flankiert. Man vergleicht sich ja zunächst mit der gewohnten Freiheit – auch der, eine E-Bike-Tour unternehmen zu können. Das fällt jetzt flach. Also liegt man Stunden- und Tagelang herum. Läuft vielleicht da und dort ein paar Meter, macht kleine Sportübungen oder nutzt den Computer. Alles nicht wirklich spannend.
Doch spannende Gespräche gibt es trotzdem. So hatte ich einen sehr interessanten Austausch mit einer kroatischen Pflegerin, die mit wenigen und sehr prägnanten Worten die Dinge auf den Punkt brachte:
- Hier in Deutschland habe man überhaupt die Chance, eine derart hochwertige Behandlung zu bekommen. Gleichwohl würden viele Patienten nicht wirklich freundlich oder gar dankbar sein. Jeder habe Ansprüche und Gewohnheiten, die man hier im Krankenhaus einfach mal zurückstellen müsse, um wieder gesund werden zu können. Da gehört auch der Aufenthalt in einem Mehrbettzimmer dazu. Bezahlt wird dieser sehr teure „Spaß“ zudem von der Krankenkasse!
- Bei ihr in der Heimat wären Therapien wie die hier auf der Station durchgeführte Variante Utopie! Wären sie möglich, dann würden Patienten im Zweifel ihr ganzes Hab und Gut verkaufen, um sie durchführen zu können und freiwillig auf dem Boden in einem Zelt mit unzähligen anderen Patienten schlafen. Nur um die Chance zu bekommen, wieder gesund zu werden. Das ist allerdings – wie gesagt – eher eine Utopie für die allermeisten betroffenen Menschen in Kroatien.
Zu hohe Ansprüche und Erwartungen?
Ich fand den Austausch extrem interessant, und innerlich mußte ich ihr auch zustimmen. Vielleicht haben wir Menschen der ersten Welt da und dort zu hohe Ansprüche und Erwartungen? Frei nach dem Motto „Der Kunde ist König“ – auch im Krankenhaus?! In jedem Fall fand ich das Gespräch anregend. Und es kamen weitere interessante Gespräche dazu, die mir z.T. nahegingen. Umgekehrt wirkt manches surreal, wenn man sich selbst überwiegend kognitiv als Patient versteht, weil man die eigene Krankheit nicht verspürt und mit anderen Patienten konfrontiert wird, denen man ihr Schicksal schon von weitem ansehen kann.
So auch eine Patientin, die von ihrer facebook-Gruppe sprach, in der allein im letzten Jahr ein Großteil der Teilnehmer und Teilnehmerinnen verstarb. Auch sie hätte vermutlich nicht mehr allzu viel zu erwarten. Kann man einer solchen Person übelnehmen, dass sie in Anbetracht der Situation unentwegt Zigaretten raucht? Dies tat sie erst, seitdem sie, die zwei Kinder und drei Enkel hat, erkannte wie kurz die für sie verbleibende Zeit würde sein können.
Lebens- und Todesphilosophie
Der Krankenhausaufenthalt in einer Krebsstation ist bereits am ersten Tag wie eine Reise auf einen anderen Planeten. Zudem eine Reise, die existenzielle Fragen aufwirft, ohne dass man diese suchen würde oder ihnen ausweichen könnte. Doch je nach Ausprägung der eigenen Krankheit ist es auch ein wichtiges Erlebnis, das Demut lehrt: Zumindest ich bin aktuell noch gefühlt und hoffentlich auch in Wirklichkeit nicht an dem Punkt, an dem sich andere Patienten mit ähnlichen, aber doch anderen und oft auch fortgeschritteneren Krankheitsbildern befinden.
Schon wird einem klar, was auch in dem ersten Gespräch mit der Pflegerin zum Ausdruck kam: Anstatt den Aufenthalt als „Isolationshaft“ zu empfinden, darf ich ihn als Bereicherung werten – als die Chance, durch ein wenig Invest von Zeit, Demut und Geduld ein Vielfaches an Gesundheit zurück zu bekommen. Hier in Deutschland hat man wenigstens die Möglichkeit dazu – Danke!
Mehr zu meiner „Patient Journey“ findet man hier.